24.08.2014

Shining - 8 1/2: Feberdrömmar I Vaket Tillstånd (Review)

Ein Black Metal-Potpourri vom feinsten


Ich muss wahrscheinlich eher weniger erklären, wer hinter SHINING steckt und was diese Band so einzigartig macht; aber für alle, die absolut keinen Plan haben, mit wem sie es hier zu tun haben, hier eine kleine Zusammenfassung: SHINING ist eine Depressive/Suicidal Black Metal-Band aus Schweden, die bereits seit 1996 ihr Unwesen treibt und sich von Release zu Release konstant weiterentwickelt hat. Klang das im Jahre 2000 erschienene Erstlingswerk "I: Within Deep Dark Chambers" noch knarzig und roh, wurden mit dem 2005 veröffentlichten "IV: The Eerie Cold" bereits progressivere Töne und unter anderem auch erstmals klarer Gesang verwendet.
Besonders hervorheben mag ich hierbei die extreme Bühnenpräsenz SHININGs: nicht selten schneidet sich Mastermind Niklas Kvarforth auf der Bühne auf oder stranguliert seine Mitmusiker mit Gitarrensaiten. Darüber hinaus ist auch das Publikum meist nicht vor ihm sicher, denn Provokation, Beleidigungen und stellenweise sogar Gewalt gegenüber der Konzertbesucher stehen bei einer SHINING-Show ganz hoch im Konkurs. Eine Band, die ihre Musik als Waffe gegen ihre Hörerschaft einsetzen will.

"Feberdrömmar I Vaket Tillstånd" ist nun der neueste Output dieser fünfköpfigen Psychopathentruppe um Niklas Kvarforth - und die "8 1/2" vor dem Albumtitel lässt dich vermuten, dass es sich eben nicht um ein vollwertiges SHINING-Album handelt.
Deine Vermutung erfüllt sich nur bedingt. Denn "Feberdrömmar I Vaket Tillstånd" ist ganz eindeutig SHINING... nur dass sich Kvarforth zu 98% des Albums nicht hören lässt. Erst ganz am Ende gibt sich der irre Schreihals die Ehre und vertont mit vier Minuten Spielzeit den kürzesten und zugleich unkonventionellsten Song der Platte. Alle Songs davor wurden jedoch mit phänomenalen Gastmusikern ausgestattet: da hätten wir zum einen Famine von PESTE NOIRE im Opener "Terres Des Anonymes", der für mich einfach nur eine der besten und gestörtesten Performances im Black Metal darstellt; danach gibt sich Attila Csihar von den legendären MAYHEM mit dem Song "Szabadulj Meg Onmagadtòl" die Ehre, gefolgt von Pehr Larsson von ALFAHANNE mit "Ett Liv Utan Mening", bevor "Selfdestruktivitetens Emissarie" mit Gaahl von GORGOROTH am Mikrofon losbricht und nach einer Weile Platz für Maniac, der ebenfalls für MAYHEM sang, mit "Black Industrial Misery" schafft. Jeder dieser Sänger vollbringt es mit Leichtigkeit, den einzelnen Songs ein ganz einzigartiges Gesicht zu verpassen. Stellenweise hatte ich natürlich das Gefühl, statt SHINING eine ganz andere, neue und zugleich besondere Band zu hören, die mich Track für Track in einen Abgrund zieht, aus dem ich so schnell nicht wieder entfliehen möchte. Erst als der Abschlusssong "Through Corridors Of Oppression" beginnt und du Kvarforths unverwechselbares Keuchen, Flüstern und Keifen hörst, wirst du wieder auf die richtige Spur gebracht, dass sich doch die ganze Zeit SHINING hinter der gesamten Soundkulisse verborgen haben.
Der Klang von "Feberdrömmar I Vaket Tillstånd" ist unglaublich old-school und ich war positiv überrascht, dass sich SHINING wieder für einen traditionelleren Sound entschieden haben. Die Gitarren sind wie damals richtig schön knarzig und erinnern oftmals an BURZUM, während das Schlagzeug einfach nur schön dreckig vor sich hinrumpelt. Natürlich ist die gesamte Musik nicht einfach nur stupides Rumgeholze: Neben sphärischen Instrumentalpassagen haben es auch Akustikparts und Glockenspiel mit aufs Album geschafft; außerdem hat der Song "Selfdestruktivitetens Emissarie" übrigens eine schweinegeile Western-Atmosphäre.
Die Texte sind, aufgrund der Herkunft der verschiedenen Sänger, auf französisch, schwedisch, norwegisch und ungarisch verfasst; einzig Kvarforth singt auf seinem Track komplett (und ich glaube sogar zum allerersten Mal bei SHINING) auf englisch. Natürlich kann ich die einzelnen Lyrics nicht verstehen (außer den englischen natürlich), aber wir sind hier bei SHINING und im DSBM-Genre, also wird sich das Ganze um Suizid, Negativität, Weltschmerz aber auch Misanthropie ("Black Industrial Misery") handeln.

Also ist das Album nun gut?
Die Antwort lautet: Ja, verdammt. "Feberdrömmar I Vaket Tillstånd" ist eine solide Platte mit einer merkwürdigen, aber keinesfalls schlechten Entscheidung, mal ohne festen Frontmann auszukommen.
Klar, Famine mag unter Umständen zu wild und pissig und Gaahl viel zu sanft und durchdachter für einen SHINING-Song klingen, aber es ist nichtsdestotrotz eine sehr interessante Erfahrung. Empfehlenswert.


Tracklist

01. Terres Des Anonymes (Famine // PESTE NOIRE)
02. Szabadulj Meg Onmagadtòl (Attila Csihar // MAYHEM, TORMENTOR)
03. Ett Liv Utan Mening (Pehr Larsson // ALFAHANNE)
04. Selvdestruktivitetens Emissarie (Gaahl // ex-GORGOROTH, WARDRUNA)
05. Black Industrial Misery (Maniac // ex-MAYHEM, SKITLIV)
06. Through Corridors Of Oppression (Niklas Kvarforth // SHINING, SKITLIV)

Spielzeit: 48:47

geschrieben von Jules † unstille.